Moment und Intuition
Malcolm Gladwell ist als Bestsellerautor weltweit bekannt. Er wurde 1963 in England geboren, verbrachte seine Kindheit in Kanada und lebt heute in New York. Hier ist er seit 1996 Redaktionsmitglied der renommierten Zeitschrift The New Yorker. In seinen Büchern vermittelt er verblüffende Erkenntnisse über die menschliche Psyche, so auch in dem Buch „Blink! Die Macht des Moments“. Hier lässt er sich über den flüchtigen Augenblick bei der Begegnung mit Menschen aus. Er beschreibt die Auswirkungen einer plötzlichen Intuition und was es mit Geistesblitzen auf sich hat.
Auf den ersten Blick
Lassen Menschen sich nach einem ersten flüchtigen Blick beurteilen? Gladwell will das dem Leser beweisen und stützt sich dabei auf das „Adaptive Unbewusste“ des Gehirns. Gemeint ist damit alles, was ohne Verdrängung passiert. Auf dieses Unbewusste haben wir keinen unmittelbaren Zugang. Dennoch beeinflusst es viele Entscheidungen. Gladwell beschreibt in seinem Buch, wie dieser erste Blick für den Alltag trainiert werden kann. Gleich zu Beginn der Lektüre erzählt der Autor eine Geschichte, die das menschliche Verhalten verdeutlicht. Er führt den Leser zurück in das Jahr 1983. Damals wurde wahrscheinlich eine gefälschte Kouros-Statue dem Getty-Museum in Los Angeles zum Kauf angeboten. Zuvor hatten Experten die Statue monatelang geprüft und waren von ihrer Echtheit überzeugt. Der Preis, den das Museum schließlich für die Fälschung zahlte, wird auf sieben bis neun Millionen Dollar geschätzt. Danach waren es gleich drei Kunsthistoriker, die dem Kunstwerk auf den ersten Blick misstrauten. Dem einen stachen die Fingernägel ins Auge. Ein anderer wunderte sich darüber, dass die Statue quasi wie neu aussah. Dabei lag sie doch zweieinhalbtausend Jahre unter der Erde. Schon waren die ersten Gutachten ins Wanken geraten. Vierzehn Monate Arbeit der Gutachter standen gegen die zwei Sekunden des ersten Augenblicks.
Uns selbst besser verstehen
„Wenn wir uns selbst besser verstehen wollen, dann müssen wir uns eingestehen, dass eine spontane Entscheidung genauso gut sein kann wie eine monatelange rationale Analyse“ schließt Gladwell aus der Geschichte mit der Statue. Diese und zahlreiche andere Passagen zeigen Gladwells Talent, den Leser mit einem klaren Bild die Sinne zu schärfen. Er verfällt nicht in ein akademisches Geschwafel, sondern spricht die Menschen direkt an. Dabei kommt ihm seine Erfahrung als Vortragender zugute. Aber der Autor will mit seinem Buch nicht nur unterhalten, sondern auch Retter sein. Das mag pathetisch klingen, scheint jedoch durchaus Gladwells Absicht zu sein. Vielleicht klingt es besser, ihn einen kompetenten und leidenschaftlichen Helfer zu nennen. Nicht nur die herkömmliche Marktforschung will er mit seinen Intentionen umstülpen, sondern auch den sogenannten kleinen Leuten die Chance geben, sich eine bessere Stellung zu erarbeiten.
Verlass auf die innere Stimme
Auf den Punkt gebracht will Malcolm Gladwell dem Leser sagen, dass er sich getrost auf seine innere Stimme verlassen kann. Sie regt sich nach wenigen Sekunden und gibt also die Antwort auf die Wahrnehmung im ersten Augenblick. Es sind, wie Gladwell schreibt, „blitzschnelle Entscheidungen, die unser gesamtes Weltbild prägen.“ Das lesenswerte und hochinteressante Buch verschafft Einblicke in die unbewusste Wahrnehmung von Menschen und Situationen. Es hilft bei der Entschlüsselung der instinktiven Entscheidungsfindung und erweist sich als nützlicher Ratgeber für den Alltag.