Erfolge und Niederlagen – völlig neu betrachtet
Carol S. Dweck, Professorin für Psychologie an der Stanford University, eröffnet den Lesern ihres Buches “Selbstbild” eine völlig neue Möglichkeit, mit Misserfolg und Erfolg umzugehen. Während wir gemeinhin davon ausgehen, dass sowohl unsere Siege als auch unser Scheitern die Ergebnisse unserer Anstrengungen oder unserer Faulheit, unseres Glücks und unseres Missgeschicks oder auch unserer besonderen Talente beziehungsweise unserer unterdurchschnittlichen Begabung seien, wagt Professor Dweck einen neuen Blick auf Höhen und Tiefen unserer Biografie. Was würde es bedeuten, wenn wir Ereignisse und Ergebnisse lediglich durch unseren Blick auf die Dinge, durch unser Selbstbild und unsere innere Einstellung zu Erfolg oder Misserfolg machen könnten?
Ganz normale Kinder?
Das Buch, das im amerikanischen Original den Titel “Mindset. The New Psychology of Success” trägt, geht davon aus, dass Erfolg oder Misserfolg das Ergebnis einer Entscheidung sind, die nur wir allein treffen. Der Auslöser für diese Überlegungen war eine Erfahrung, die Dweck am Anfang ihrer Karriere als Wissenschaftlerin machte. Während einer Unterrichtsstunde mit zehnjährigen Kindern, in der diese schwierige Denksportaufgaben bewältigen sollten, hatte sie erwartet, dass ihre Schüler angesichts der Herausforderungen stöhnen und unter Druck geraten würden. Stattdessen gab es einen Jungen, der betonte, er “liebe” schwierige Rätsel, und einen anderen, der sich darüber freute, dass er “hier etwas lernen” könne. Was war los mit diesen Kindern? Worin unterschieden sie sich von ihren Mitschülern? Diese Fragen, die Dweck gleich zu Beginn ihrer Laufbahn begegneten, ließen sie während ihrer gesamten wissenschaftlichen Karriere nicht mehr los. Einige der Antworten sind in das vorliegende Buch geflossen.
Worum geht es in diesem Buch?
Die Frage, warum manche Menschen ihr Leben lang erfolgreich sind und sich kontinuierlich weiterentwickeln, während andere in ihrer Entwicklung stehenbleiben, wird von der Psychologin mit den unterschiedlichen Selbstbildern beantwortet, die Menschen von sich haben. Um sich für Entwicklungsmöglichkeiten zu öffnen, ist es entscheidend, kein festgelegtes, sondern ein formbares, flexibles Selbstbild zu errichten. Das Buch ermöglicht es seinen Lesern, in einem ersten Schritt zu erkennen, was sein eigenes Selbstbild ausmacht, und im zweiten Schritt Methoden zu erlernen, mit denen dieses Selbstbild gegebenenfalls verändert werden kann. Das Selbstbild, das von der Autorin als “dynamisches” Selbstbild bezeichnet wird, ist dasjenige, das am meisten Erfolg im Leben verspricht. Anhand zahlreicher, ganz unterschiedlicher Fallbeispiele aus dem schulischen, sportlichen oder auch privaten Bereich zeigt sie, wie das dynamische Selbstbild Menschen weitergeholfen hat.
Wer sollte das Buch lesen?
Der Titel “Selbstbild” von Carol Dweck ist natürlich zunächst für all jene gedacht, die im positiven Sinne an sich arbeiten möchten – nicht durch krampfhaft leistungsfixiertes, perfektionistisches Denken und die Idee, ständig “besser” werden zu müssen, sondern durch ein entspanntes Umdenken. Häufig muss man überhaupt erst einmal an die Möglichkeit glauben, in einem bestimmten Bereich erfolgreich sein zu können. Wer in einer Familie von Mathematikern aufwächst, dem fällt es leicht, sich selbst ebenfalls als Mathe-Genie zu sehen. Doch auch jemand, dem sein Leben lang eingebläut wurde, seine Begabungen lägen ausschließlich im sprachlichen Bereich, kann ein erfolgreicher Naturwissenschaftler werden, wenn es ihm gelingt, dieses in Stein gemeißelte Selbstbild zu verändern.
Das Buch ist aber nicht nur für die Selbstanalyse und die Arbeit am eigenen Persönlichkeitsbild sinnvoll. Auch für Lehrkräfte und Erzieher stellt es ein wertvolles Werkzeug dar, hilft es doch dabei, Schüler nicht aufgrund fixer Vorstellungen auf bestimmte Lern- und Erfolgsmöglichkeiten einzuengen. Es weitet den Blick für die verborgenen Potenziale, die in einem Kind schlummern können, wenn es von seinen Bezugspersonen nicht auf bestimmte Begabungen und Eigenschaften festgelegt wird.
